(erschienen in: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jahrbuch 2008, Berlin 2009)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Akademienvorhaben
Sitzland: Berlin
Adresse: Jägerstrasse 22/23, 10117 Berlin, Tel.: 0 30 - 20 370 478
Projekt- und Arbeitsstellenleiter: Prof. Dr. Stephan J. Seidlmayer
Stellvertretende Arbeitsstellenleiterin: Dr. Ingelore Hafemann
Hauptamtliche wissenschaftliche Mitarbeiter:
Dr. Frank Feder, Dr. Stefan Grunert, Dr. Simon Schweitzer, Dr. Doris Topmann
Der Aufbau des digitalen Textcorpus wurde planmäßig vorangetrieben. Im Bereich des Erfassungsschwerpunktes 'Texte des Alten Reiches' wurden weiter Inschriften der Monumentalgräber aus Saqqara eingegeben. Mit Texten der Felsgräbernekropole von Deir el-Gebrawi wurde die Aufnahme der Grabinschriften der kulturell und politisch so bedeutenden provinziellen Führungsschicht des späten Alten Reiches begonnen. Die Erfassung des umfänglichen Corpus der Pyramidentexte aus den königlichen Pyramiden des Alten Reiches wurde fortgesetzt. Wesentliche Fortschritte konnten auf dem Gebiet des im letzten Jahr begonnenen, neuen Aufnahmeschwerpunkts 'Historisch-rhetorische Texte der Ramessidenzeit' gemacht werden. Die großen Inschriften der Könige Ramses I. und Sethos I. sind linguistisch wie philologisch bedeutend und kulturhistorisch auch weit über die Ägyptologie hinaus von entscheidendem Interesse. Auch die Bearbeitung der späten Ritualhandbücher wurde fortgesetzt. Insgesamt konnte das Corpus um ca. 35.000 Wörter vermehrt werden.
Von fundamentaler Bedeutung für die Qualität der Erschließung des erfaßten Textmaterials ist die kontinuierliche Arbeit an der lexikalischen Liste des Vorhabens. Dieser zentrale Thesaurus – die Orientierungslinie des „virtuellen Wörterbuchs“ – umfaßt mittlerweile über 40.000 Einträge. Auch dieses Jahr wurden 673 Neueinträge vorgenommen; vor allem aber wurde die vereinheitlichende, kritische Überarbeitung des bereits vorliegenden Bestands entscheidend vorangetrieben.
Zum 31. Oktober wurde die neue Version der Publikationsplattform des Vorhabens im Internet freigegeben. Neben einer substantiellen Erweiterung der Textdatenbanken wurden dabei entscheidende neue Recherchefunktionen verfügbar gemacht, die sowohl unter philologischer wie unter linguistischer Perspektive einen fundamental neuen Zugang zum Material erlauben. Die Suche nach dem kombinierten Auftreten von Wörtern und Wortarten, die statistische Kollokationsanalyse, die Analyse der lexikalischen Gravitation, statistische Angaben zur Worthäufigkeit und zur Verteilung der Worthäufigkeiten, statistische Schlüsselwortanalyse, die Erstellung von Wortglossaren sowie Indizes zu Namen und Titeln – jeweils sowohl für die Gesamtdatenbank wie für Teilcorpora – sind hier zu nennen. Durch diese Funktionen werden erstmals grundlegende Funktionen der corpuslinguistischen Textanalyse für Textgut des pharaonischen Ägypten zur Verfügung gestellt.
Für diese lebendige Fortentwicklung des analytischen Potentials der Publikationsplattform des Vorhabens hat sich das Engagement in einer linguistischen Arbeitsgruppe im Rahmen des Exzellenzclusters TOPOI als außerordentlich befruchtend erwiesen. Aus konkreten Fragestellungen der Erforschung der linguistischen Codierung von Raumkonzepten in der ägyptischen Sprache wurden Bedürfnisse nach erweiterten Funktionalitäten formuliert, und in der praktischen Arbeit damit wird das einzigartige Potential des digitalen Textcorpus in innovativer linguistischer Forschung ausgespielt.
Aus Sondermitteln der Akademie konnte auch der Aufbau einer an die Textdatenbank angeschlossenen Bilddatenbank substantiell vorangebracht werden, so daß in Kürze eine modellhafte Implementation im Internet veröffentlicht werden kann. Grundlegend dafür war, daß durch eine Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das Bildmaterial aus Hermann Junkers Publikationen seiner archäologisch-epigraphischen Arbeiten auf dem Monumentalfriedhof von Giza aufgenommen werden konnten.
Mit seiner Arbeit an den technischen und sachlichen Grundlagen der Texterfassung, dem verwendeten Datenbanksystem, den Thesauri und Codierungsnormen unterstützte das Vorhaben wie früher die kooperierenden Arbeitsstellen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig sowie der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Würzburg. Zur Stärkung dieser interakademischen Kooperation richtete das Vorhaben am 26. September einen ganztägigen workshop zu den Perspektiven und Desiderata der ägyptologischen Arbeit im Rahmen des Akademienprogramms aus.
Wie immer beteiligten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vorhabens mit Vorträgen und Präsentationen an Veranstaltungen der Akademie sowie nationalen und internationalen Fachtagungen. Durch Leihgaben aus seinem Archiv unterstützte das Vorhaben mehrere Ausstellungen. Wie früher engagierten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den durch die Akademie organisierten Vorträgen an Brandenburger Schulen sowie in der akademischen Lehre an der Freien Universität Berlin. Erstmals richtete das Vorhaben sieben speziell auf die Erfordernisse der neuen Bachelor-Studiengänge abgestimmte Praktikumsplätze mit curricular aufgebautem Lehrprogramm ein. Studierende aus Basel, Leipzig und Berlin wurden im Rahmen dieses Programms in die Arbeit des Projekts eingeführt.
Zum Abschluß der im Vorjahr ausgerichteten Ausstellung „Preußen in Ägypten – Ägypten in Preußen. Die Königlich Preußische Expedition nach Ägypten (1842-1845)“ im Museum für Islamische Kunst SPK, die Anfang Februar nach hervorragendem Besucherzuspruch planmäßig abgebaut werden mußte, hielt das Vorhaben am 1. und 2. Februar eine interdisziplinäre Tagung ab. In Vorträgen aus den Gebieten der Geschichtswissenschaft, der Kunstgeschichte, der Islamwissenschaft und der Ägyptologie wurde die politische und kulturhistorische Bedeutung der Expedition behandelt. Die Beiträge zu dieser Tagung sind zur Publikation in Buchform in redaktioneller Bearbeitung.
Neben der wissenschaftlichen Arbeit des Vorhabens mußte im zurückliegenden Jahr auch der Umzug der Arbeitsstelle mit ihren umfangreichen Archivbeständen bewältigt werden.