Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Sitzland Berlin
Projektleiter: Prof. Dr. Stephan J. Seidlmayer
Arbeitsstellenleiterin: Dr. Ingelore Hafemann
Hauptamtliche wissenschaftliche Mitarbeiter/innen: Dr. Frank Feder, Dr. Silke Grallert, Dr. Simon Schweitzer, Dr. Doris Topmann
Adresse: Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin, Tel.: 030 / 20 370 447
Im Berichtsjahr konnte das digitale Corpus ägyptischer Texte erheblich erweitert und bis zum Laufzeitende des Vorhabens im Dezember 2012 zu einem planmäßigen Abschluss gebracht werden. Es wurde zum 31. Oktober auf der Publikationsplattform des Vorhabens - dem Thesaurus Linguae Aegyptiae - publiziert und steht damit für komplexe linguistische Recherchen zur Verfügung. Für das Teilcorpus der Texte des Alten Reiches konnte die große Gruppe der Abusir-Papyri, die Verwaltungsakten eines Tempelarchivs aus der 5. Dynastie (um 2400 v. Chr.) beinhalten, für die Publikation aufbereitet werden. Damit ist es gelungen, die thematische Zusammensetzung des Textcorpus dieser Epoche besser auszubalancieren, denn es stehen jetzt neben den funerären auch wichtige administrative Texte des Alten Reiches zur Verfügung. Innerhalb der Pyramidentexte liegen die Sprüche aus den Pyramiden des Pepi I. und der Neith jetzt nahezu vollständig vor. Sprüche, die dort nicht belegt sind, wurden aus den Pyramiden des Teti, des Merenre, des Pepi II. und des Ibi ergänzt. Damit ist nunmehr das Corpus der Pyramidentexte durch mindestens je einen Textzeugen vertreten. Innerhalb der historisch-rhetorischen Königstexte der 19. Dynastie wurden alle Versionen der Qadesch-Schlacht Ramses II. aufgenommen. Dazu konnten im Herbst auch Kollationen am Originalmonument in Ägypten vorgenommen werden. Mit der Aufnahme aller Texte des Papyrus Bremner Rhind sind nun zwei der großen privaten Totenpapyri der frühen Ptolemäerzeit vollständig im Corpus enthalten.
Die Neueinträge in der elektronischen Wortliste umfassten im Berichtszeitraum ca. 800 Lemmata. Die redaktionelle Bearbeitung der Lemmata wurde in den erforderlichen Fällen abgeschlossen. Das nun vorliegende Berliner elektronische Lexikon repräsentiert damit den bis heute bekannten Wortschatz des vordemotischen Ägyptisch in singulärer Breite (Gesamtzahl ca. 32.500 Lemmata).
Die Aufnahme der hieroglyphischen Wortformschreibungen des bisher in Transkription eingegebenen Textcorpus, die an einigen Testcorpora bereits 2011 begonnen wurde, konnte im Berichtsjahr für Teile der Amarnatexte fortgesetzt werden.
Die innerhalb der letzten 10 Jahre entwickelte Publikationsplattform Thesaurus Linguae Aegyptiae bietet zum Projektende im Dezember 2012 ein elektronisches Textcorpus mit insgesamt über 1.120.000 Textwortbelegen an. Das konnte nur durch eine kontinuierliche und langjährige Kooperation mit zahlreichen Projektpartnern gelingen. Im Ergebnis wurde so das weltweit größte annotierte Corpus ägyptischer Texte aufgebaut, das im Internet Open Access zur Verfügung steht. Die komplexen Navigations- und Recherchewerkzeuge und die implementierten statistischen Analyseverfahren bieten die Grundlage für neue Forschungsmethoden und Fragestellungen. (Die ursprünglich umrissenen Projektziele sind damit noch überboten worden.) Auf die Einführung des Internet innerhalb der Projektlaufzeit und die neu entstandenen Nutzungs- und Publikationsformen wurde schnell reagiert. Die Projektziele konnten erweitert und durch neue Methoden der Corpuslinguistik unterstützt werden.
Das Berliner Corpus umfasst zum Abschluss des Vorhabens folgende in sich geschlossene Teilcorpora verschiedener Epochen und Textsorten: das große Teilcorpus des Alten Reiches mit den Grabinschriften der Residenzfriedhöfe in Giza und Saqqara sowie der Provinzfriedhöfe Achmim und Deir el Gebrawi, den Felsinschriften, diverse Urkunden und Verwaltungsakten - im besonderen das gesamte Abusirarchiv - und schließlich die Pyramidentexte. Weitere Teilcorpora sind: Briefe vom Alten Reich bis in die 3. Zwischenzeit, nahezu das gesamte Teilcorpus der Texte der Amarnazeit und ein repräsentatives Teilcorpus der königlich-rhetorischen Texte aus der 19. Dynastie. Die Bücher aus dem privaten Totenkult (die so genannten Totenliturgien aus dem 4.-2. Jhd. v. Chr.) und die Handbücher aus Tempelbibliotheken der griechisch-römischen Zeit bilden ein umfangreiches Teilcorpus der späteren Textkultur Ägyptens. Durch die Kooperation mit unserem Partnerprojekt Altägyptisches Wörterbuch an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und der Demotischen Textdatenbank an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz konnte das Corpus um die gesamte Texttradition der „Schönen Literatur“ Ägyptens sowie um ein breites Corpus aller Genres der demotischen Textkultur bereichert werden. Im Jahr 2012 wurden auch die Textdaten des Edfu-Projektes der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die in anderen Datenformaten erfasst waren, über einen XML-Import erfolgreich in das Datenbanksystem des Vorhabens integriert. Damit stehen die im Edfu-Projekt bereits bearbeiteten Texte des Horustempels von Edfu (Ptolemäerzeit, 3./2. Jhd. v. Chr.), die von der Arbeitsgruppe um Dieter Kurth in Buchform herausgegeben wurden (Edfu VII und VIII), nun auch für komplexe Recherchen auf der Internetplattform des Vorhabens zur Verfügung. Die Federführung für den Aufbau, bei der Integration aller Bestandteile und der Koordination der Zuarbeiten für dieses große ägyptische Textcorpus lagen bei dem Berliner Vorhaben an der BBAW. Der Thesaurus Linguae Aegyptiae ist unter der Adresse http://aew.bbaw.de/tla/ erreichbar.
Die Ergebnisse der Projektarbeit und sich daraus ergebende Forschungsansätze wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vorhabens auf Tagungen in Rom, Luxor, Bonn, Freudenstadt, Mainz, Leipzig, Erlangen und Berlin diskutiert.
Am 19. November 2012 konnte die neue Version des Thesaurus Linguae Aegyptiae der Öffentlichkeit präsentiert werden. Den Festvortrag hielt Joachim Friedrich Quack, Lehrstuhlinhaber für Ägyptologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Gemeinsam mit dem Ägyptologischen Seminar der Freien Universität Berlin, dem Lehrbereich Ägyptologie und Archäologie Nordostafrikas der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin sowie dem Deutschen Archäologischen Institut (Berlin/Kairo) wurde die jährlich stattfindende „Ständige Ägyptologenkonferenz“ vom 13.-15. Juli in Berlin mit über 350 Teilnehmern ausgerichtet.
Im Rahmen der Qualifizierung nahmen Mitarbeiterinnen an mehreren Tagungen und Workshops teil, so Silke Grallert am Workshop „Glossing Rules: Wege zum Ägyptischen: Textaufbereitung und Übersetzung“ (Berlin), an der Konferenz „Thebes in the First Millenium BC“ (Luxor), dem Workshop „Reflectance Transformation Imaging for Cultural Heritage“ (Berlin) sowie Doris Topmann am Totenbuch-Kolloquium (Bonn) und Doris Topmann und Ingelore Hafemann am Workshop „e-traces“ (Leipzig).
Für das Archiv der Papierabklatsche wurde die Vorbereitung eines großen drittmittelgestützten Digitalisierungsprojektes begonnnen. Umfangreiche Recherchen zu geeigneten technischen Verfahren - besonders bezüglich einer angestrebten 3D-Digitalisierung der Abklatsche - sowie Besuche von Workshops und Vorführungen dienten einer sachgerechten Einarbeitung in die Materie.
Durch Leihgaben aus seinem Archiv unterstützte das Vorhaben die Ausstellung „Von Naumburg bis zum Blauen Nil“ (15.9.-25.11.2012) in Naumburg.
Zum Internationalen Epigraphikerkongress in Berlin präsentierte sich das Vorhaben gemeinsam mit den Vorhaben des Zentrums Grundlagenforschung Alte Welt an der BBAW (29.8.).
In drei Vorträgen an Brandenburger Schulen wurden Kenntnisse über Sprache und Kultur des Alten Ägypten vermittelt. In einer gesonderten Veranstaltung wurde im Rahmen der Reihe „Kinderakademie“ der Staatlichen Museen zu Berlin die Erforschung Ägyptens an der BBAW an Hand der Archivmaterialien demonstriert.
In zahlreichen Führungen für Kollegen und Studierende aus Kairo, Sohag, Pisa, London und Leuven wurden die laufenden Projektarbeiten und die Archive vorgestellt.
Frank Feder vertrat am Institut für Ägyptologie der Universität Leipzig den Lehrstuhlinhaber mit einer Vorlesung und Seminaren zum Modul „Kultur Ägyptens II, Religion“.
Silke Grallert hat (zusammen mit Jan Moje) auch im Winter 2012 eine Übung zur Epigraphik mit Studierenden im Rahmen des BA-Studiums (FU Berlin) an Hand von Abklatschen im Archiv des Vorhabens durchgeführt.
Die Arbeitsgruppe wurde im Jahr 2012 von insgesamt 3 Praktikantinnen und einem Schüler unterstützt. In besonderem Maße wurde die elektronische Codierung hieroglyphischer Wortschreibungen im Textcorpus, vornehmlich für die Texte der Amarnazeit, erledigt. Daneben wurden neue Texte in das Corpus eingegeben. Im Berichtszeitraum absolvierten Bahar Landsberger (Münster) sowie Siham Abdel Aal und Hannah Sonbol (FU Berlin) ihr Praktikum am Vorhaben.